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Sprechen mit Tracheostoma

Sprechen mit Tracheostoma

Für Fachpersonal
14. April 2025

Die menschliche Stimme ist mehr als nur ein Werkzeug zur Kommunikation; sie ist ein Ausdruck von Identität, Emotion und Verbindung. Sie ermöglicht uns, Gedanken und Gefühle zu teilen, Beziehungen zu pflegen und in unserer Gesellschaft zu wirken. Für Patienten mit einem Tracheostoma bedeutet der Verlust der natürlichen Sprachfähigkeit eine erhebliche Einschränkung der Lebensqualität. Durch den Einsatz innovativer Medizintechniken und -hilfsmittel gibt es jedoch Wege, die Stimme zurückzugewinnen und aktiv am Dialog teilzunehmen.

Dieser Blogbeitrag zeigt auf, wie betroffene Patienten mit Hilfe von speziellen Trachealkanülen und Sprechventilen die Möglichkeit erhalten, ihre Stimme wiederzuentdecken. Diese Hilfsmittel fördern nicht nur die Stimmgebung, sondern unterstützen auch das schrittweise Entwöhnen von der Trachealkanüle (Weaning) bis hin zur möglichen Dekanülierung. Gleichzeitig tragen sie dazu bei, das seelische Wohlbefinden und die Lebensqualität der Betroffenen deutlich zu verbessern.

Tracheostomierte spricht mit einem Freevent DualCare Sprechventil

So funktioniert die menschliche Stimme

Der Kehlkopf ist der zentrale Ort unserer Stimmbildung. Dort befinden sich die Stimmlippen, die eine schmale Öffnung – die Stimmritze (Glottis) – bilden und die Luftröhre nach oben hin abschließen. Beim Ein- und Ausatmen sind die Stimmlippen geöffnet, sodass die Atemluft ungehindert passieren kann. Die Stimme entsteht, wenn die Stimmlippen aktiv aneinandergeschlossen und durch den ausströmenden Luftstrom aus der Lunge in Schwingung versetzt werden. Dabei wird der Luftstrom rhythmisch unterbrochen, wodurch sich Schallwellen bilden. Je höher die Frequenz dieser Schwingungen, desto höher der erzeugte Ton. Bei einem hohen C (ca. 1046 Hz) schwingen die Stimmlippen rund 1000 Mal pro Sekunde. Der individuelle Klang der Stimme entsteht durch die Resonanzräume in Rachen, Mundhöhle und Nasennebenhöhlen, wo die erzeugten Töne verstärkt und moduliert werden. Jede Stimme klingt unterschiedlich – das hängt unter anderem von der Größe des Kehlkopfes, der Länge und Spannung der Stimmlippen sowie der individuellen Anatomie der Resonanzräume ab. Diese Faktoren beeinflussen Stimmhöhe (Grundton), Klangfarbe und Lautstärke.2

Kommunizieren nach einer Tracheotomie

Nach einer Tracheotomie und Versorgung mit Trachealkanüle, mit liegender Kanüle, ist eine verbale Kommunikation zunächst oft nicht möglich, da der Luftstrom nicht wie gewohnt durch den Kehlkopf strömt. Wird eine gecuffte Trachealkanüle verwendet, strömt sowohl die Ein- als auch die Ausatemluft direkt über die Trachealkanüle – der Kehlkopf wird dabei ausgelassen - und eine Stimmbildung kann nicht stattfinden. Auf diese veränderte Situation sollten Patienten gut vorbereitet werden. Dennoch gibt es effektive Möglichkeiten, die Kommunikation zu fördern.

Nach einer vollständigen Entfernung des Kehlkopfs (Laryngektomie) ist die Stimmbildung dauerhaft nicht mehr möglich. Das Sprechen kann dann nur mithilfe spezieller Hilfsmittel und Techniken erfolgen wie z. B. einer Stimmprothese, einer elektronischen Sprechhilfe oder durch das Erlernen der Ösophagusersatzstimme.

Wenn hingegen der Kehlkopf und somit auch die Stimmbänder erhalten und funktionsfähig sind, gibt es Wege, den Luftstrom wieder gezielt in Richtung Kehlkopf zu lenken, um eine Stimmbildung zu ermöglichen: 1

  • Ungefensterte Trachealkanülen: Hier ist Stimmbildung nur dann möglich, wenn genügend Platz zwischen der Kanüle und der Trachealwand besteht, sodass Ausatemluft an der Trachealkanüle vorbei in Richtung Kehlkopf strömen kann.
  • Gefensterte oder gesiebte Trachealkanülen1: Diese besitzen Öffnungen (Fenster) im oberen Bereich, durch die ein Teil der Ausatemluft nach oben in Richtung Kehlkopf umgeleitet wird.1

Hinweis: Voraussetzung für ein Sprechen nach Tracheotomie ist ein ausreichend hoher subglottischer Druckaufbau. Außerdem darf der Luftstrom nicht durch Sekret, Schwellungen oder Verkrustungen behindert sein.

Sprechen mit Trachealkanülen – die Rolle des Cuffs

Der Cuff ist eine aufblasbare Manschette, die sich um den unteren Teil der Trachealkanüle legt und dafür sorgt, dass die Kanüle luftdicht abschließt. Dies ist besonders wichtig, um die Atmung effizient über die Trachealkanüle zu ermöglichen und gleichzeitig das Risiko einer Aspiration – also dem Eindringen von Speichel oder Sekreten in die tiefen Atemwege – zu minimieren. Dadurch lassen sich mögliche Atemwegskomplikationen deutlich reduzieren.

Trachealkanülen mit Cuff werden vor allem bei Patienten eingesetzt, die invasiv beatmet werden oder unter schweren Schluckstörungen leiden. Der geblockte Cuff verhindert, dass Luft an der Kanüle vorbei entweicht – dadurch gelangt keine Luft in Richtung Kehlkopf, was eine Stimmbildung unmöglich macht. Wird ein Sprechventil verwendet – auch bei Trachealkanülen mit Phonationsöffnung (Fensterung) – muss der Cuff zwingend entblockt sein. Nur dann kann die Ausatemluft durch die Fensterung der Kanüle und an ihr vorbei nach oben zum Kehlkopf strömen, ohne dass es versehentlich zu Atemwegsblockaden durch z.B. Sekretverlegung kommen kann.  

Trachealkanülen ohne Cuff sind für Patienten geeignet, bei denen die freie Atmung über die oberen Atemwege nicht möglich ist (z. B. bei beidseitiger Stimmlippenlähmung). Da diese Kanülen keinen Aspirationsschutz bieten, kommen sie nur bei Personen zum Einsatz, die ihren Speichel sicher schlucken oder Sekret ausreichend abhusten und ausspucken können.

Achtung: Sprechventil nicht bei geblocktem Cuff verwenden!

Verwenden Sie ein Sprechventil keinesfalls auf einer geblockten Kanüle. Im schlimmsten Fall kommt es zu einer Atemwegsblockade und akuter Erstickungsgefahr für den Patienten. 

Phonation mit Hilfe von Trachealkanülen mit Fensterung

Eine Trachealkanüle mit Phonationsöffnung verfügt über eine Siebung im Außenbogen, die in Kombination mit einer gefensterten Innenkanüle eingesetzt wird. Die Fensterung auf Höhe der Siebung ermöglicht, dass zusätzlich am entblocktem Cuff vorbei ein zusätzlicher Teil der Ausatemluft in Richtung Kehlkopf strömt. Dies kann die Stimmbildung unterstützen – insbesondere in Verbindung mit einem Sprechventil, das die Kanülenöffnung am Tracheostoma während der Exspiration verschließt. Da die exakte Lage der Siebung für die Funktion entscheidend ist, wird eine regelmäßige endoskopische Kontrolle der Position empfohlen.4

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Sprechventile

Sprechventile bestehen aus einem festen Gehäuse und einer beweglichen Membran. Diese öffnet bei der Einatmung und schließt bei der Ausatmung, sodass die ausgeatmete Luft durch den Kehlkopf strömt. Der Anschluss erfolgt in der Regel über das Innenkanülsystem mit einem 15-mm-Konnektor oder einem 22-mm-Aufnahmeadapter. Voraussetzung für die Nutzung des Sprechventils ist eine entblockte Kanüle, ein obstruktionsfreier oberer Atemweg und ein ausreichend hoher subglottischer Druck.1 Sprechventile werden als „One-Way“ bezeichnet, da sie die Luft nur in eine Richtung durchlassen.

Anatomische Illustration eines Menschen mit Luftzirkulation nach der Tracheotomie. Mit Tracoe Sprechventil.

Sprechventile als Hilfsmittel in der Dekanülierung

Sprechventile stellen unverzichtbare Hilfsmittel im Kontext de Dekanülierungsprozesses dar. Sie tragen nicht nur maßgeblich zur Wiederherstellung der Phonations- und damit auch zur Kommunikationsfähigkeit bei, sondern werden darüber hinaus durch den wiederhergestellten translaryngealen Luftstrom essenzielle physiologische Funktionen wie das Schlucken und Husten wieder möglich. Um die Sicherheit und Effektivität des Sprechventileinsatzes während der Dekanülierung zu gewährleisten, spielt das medizinische Fachpersonal eine Schlüsselrolle: Es passt die Hilfsmittel individuell an den Patienten an und überwacht und begleitet deren Verwendung.  

Sprechventile von Atos Medical

Der Tracoe Phon Assist I bietet mit seinem stufenlos einstellbaren Atemwiderstand neben der Sprechoption verschiedene therapeutische Möglichkeiten für das Weaning, die Dekanülierung und die Stimulation des Mund- und Rachenraums

Tracoe Phon Assist I orange Sprechventil mit integriertem Sauerstoffanschluss

Das Freevent DualCare ist eine innovative Kombination aus Sprechventil und Wärme- und Feuchtigkeitsaustauscher (HME) für tracheotomierte Patienten und ermöglicht ein fingerfreies Sprechen und Atmen, ohne die pulmonale Rehabilitation zu beeinträchtigen. Der Wechsel zwischen dem Sprechmodus und dem HME-Modus erfolgt einfach durch eine Drehbewegung des Sprechventil-Deckels. Das DualCare findet in erster Linie Anwendung bei selbstständigen Homecare-Patienten, die eine hohe Compliance aufweisen, also Sprech- und HME-Modus verstehen und unterscheiden können, sowie bei Kanülen ohne Cuff.

freevent dual care blue

Nutzung von Sprechventilen erfordert hohe Aufmerksamkeit

Die sichere Anwendung eines Sprechventils bei tracheotomierten Patienten erfordert besondere Sorgfalt. Bei Anzeichen von Atemanstrengung, Schmerzen oder Verkrampfungen sollte umgehend der Allgemeinzustand des Patienten sowie die Trachealkanüle überprüft werden. Bei Atemnot ist sofortiges Handeln erforderlich, da akute Erstickungsgefahr für den Patienten besteht.

Kontrolle
der Trachealkanüle:

  • Ist der Cuff entblockt?
  • Gibt es Sekretverlegungen?
  • Ist die Kanüle korrekt ausgewählt hinsichtlich Art und Größe?

Warnsignale
für Atemnot:

  • Erschwerte Atmung, Kurzatmigkeit
  • Atemgeräusche, z.B. Stridor
  • Gesteigerte Atemfrequenz (Tachypnoe)
  • Vermehrtes Husten
  • Zyanose
  • Angst und Panik
  • Unruhe, Verwirrtheit bis zur Bewusstlosigkeit
  • Einsatz der Atemhilfsmuskululatur

Achtung: Beim Vorliegen dieser Symptome ist eine sofortige Entfernung des Sprechventils und eine Überprüfung der Trachealkanüle erforderlich, um die Atemwegsfreiheit zu gewährleisten.

Wovon hängt die Stimmqualität ab?

Für die Stimmbildung und die Qualität der Stimme spielt vor allem der subglottische Anblasedruck eine Rolle. Dafür muss zum einen die ausgeatmete Luft ungehindert Richtung Larynx strömen können, zum anderen darf keine Luft parastomal, also am Tracheostoma, entweichen. Dafür ist es wichtig, dass Trachealkanüle und Tracheostoma gut abdichten. Außerdem darf der Kanülendurchmesser nicht zu groß sein, damit der Patient noch ausreichend viel Platz um die Kanüle herum hat, um daran vorbeizuatmen. Ein zu großer Durchmesser der Trachealkanüle kann zudem zu einem verringerten Tragekomfort für den Patienten, zu Druckstellen und Verletzungen führen.1

Above Cuff Vocalization

Ist ein Patient invasiv beatmet oder toleriert aus anderen medizinischen Gründen keinen entblockten Cuff, ist eine Umlenkung des Ausatemstroms über den Larynx und somit die Stimmlippen nicht möglich. Hat er eine Kanüle mit subglottischer Absaugung, kann man mit ihm die Above Cuff Vocalization durchführen. Dafür wird über den subglottischen Absaugschlauch medizinische Druckluft gegeben und somit ein subglottischer Anblasedruck erzeugt. Dadurch kann der Patient phonieren.

Above Cuff Vocalisation Schematische Darstellung

Die Durchführung der ACV erfordert spezifische Voraussetzungen, insbesondere die Wachheit und die Kooperationsbereitschaft des Patienten.

Trachealkanülensysteme von Atos Medical können zur Phonation als auch zur subglottischen Absaugung verwendet werden.

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Quellen

1. BVMed Informationsbroschüre (2017). Empfehlung für die Versorgung von tracheotomierten Patienten. https://www.bvmed.de/verband/publikationen/fachbroschueren/empfehlung-tracheotomieversorgung-2017

2. Schneider-Stickler, B. und Kress, P. (Hrsg.) (2018).Tracheotomie und Tracheostomaversorgung: Indikationen, Techniken & Rehabilitationen. Springer.

3. Amboss (2024). Kehlkopf, Sprechen und Sprache (2024). https://www.amboss.com/de/wissen/kehlkopf-sprechen-und-sprache/

4. Pandian, V. et al. (2019). Are fenestrated tracheostomy tube still valuable? Am J Speech Lang Pathol. 2019 Aug 9;28(3):1019-1028.