Blog HCPs /
Basiswissen Stimmrehabilitation nach Laryngektomie: Möglichkeiten der Stimmgebung

Basiswissen Stimmrehabilitation nach Laryngektomie: Möglichkeiten der Stimmgebung

Für Fachpersonal
3. Juli 2025

Seit der ersten dokumentierten Laryngektomie durch Theodor Billroth im Jahr 1873 in Wien hat die stimmliche Rehabilitation nach einer solchen Operation erheblich an Bedeutung gewonnen. Die Laryngektomie, ein chirurgischer Eingriff zur Entfernung des Kehlkopfes, hinterlässt Patienten ohne ihre natürliche Stimme. Glücklicherweise hat sich die Medizin weiterentwickelt, um alternative Methoden der Stimmgebung anzubieten. Dieser Beitrag gibt einen Überblick über die gängigen Methoden der Stimmrehabilitation und ihre jeweiligen Vor- und Nachteile.

Patientin Isabelle steht vor Arzt und drückt mit ihrem Mittelfinger auf das Provox HME um zu sprechen

Folgen einer Laryngektomie

Die anatomischen Veränderungen als Folge einer Laryngektomie reichen vom Stimmverlust bis hin Veränderungen bezüglich der Atem- und Schluckfunktion. All diese Veränderungen können teils schwerwiegende Einschnitte in die Lebensqualität der Patientinnen und Patienten mit sich bringen.

Anatomische Veränderungen

Die Laryngektomie ist ein irreversibler Eingriff. Durch die vollständige Trennung der oberen und unteren Atemwege fallen zunächst die wichtigen Funktionen der Nase bei der Atmung weg. Diese umfassen die Filterung, Erwärmung sowie Befeuchtung der eingeatmeten Luft. Oftmals leiden Patienten unter den daraus resultierenden Folgen, wie etwa erhöhter Sekretproduktion und Husten, was alltägliche körperliche Betätigung für viele Betroffene deutlich erschwert.

Durch die Entfernung des Kehlkopfes kommt es außerdem zum Stimmverlust. Die eigene Stimme spielt nicht nur bei der Kommunikation mit der Umwelt eine maßgebliche Rolle, sie ist für viele Menschen identitätsstiftend und ihr Verlust zieht schwerwiegende Einschnitte in die Lebensqualität der Betroffenen nach sich. Der Kehlkopf erfüllt nicht nur die Funktion der Phonation, sondern er schützt während des Schluckakts vor Aspiration. Nach einer Laryngektomie ist das Schlucken zwar sicher, da Atem- und Speiseweg voneinander getrennt sind, jedoch kann es bei Betroffenen zum sogenannten Globusgefühl sowie zu verlängerten Essenszeiten kommen.

Soziale und psychische Folgen

Nicht selten führt eine Laryngektomie bei Betroffenen zu sozialer Isolation sowie Angstzuständen oder gar Depressionen. Wie bereits erwähnt, sind körperliche Anstrengung, erhöhte Sekretproduktion und Husten oftmals Grund für den Rückzug aus sozialer Interaktion. Aber auch die eingeschränkte Kommunikationsfähigkeit erschwert die Teilhabe am sozialen Alltag.

Methoden der Stimmrehabilitation

Nach einer Laryngektomie stehen verschiedene Techniken zur Verfügung, um die Sprechfähigkeit der Patienten zu unterstützen. Die drei Hauptmethoden sind die Ruktusstimme, die elektronische Sprechhilfe und die Stimmprothese.

Ruktusstimme

Die Ruktusstimme oder Ösophagus-Stimme nutzt den oberen Ösophagussphinkter (PE-Segment) zur Stimmbildung, ähnlich dem „Rülpsen“. Hierbei wird Luft in die Speiseröhre gedrückt oder gesogen, um dann bei der Luftabgabe eine Stimme zu erzeugen

Anatomische Zeichnung: Sprechen mit der Ruktus-Stimme

Querschnitt: Stimmgebung mit Ruktusstimme über das PE-Segment

Der Hauptvorteil dieser Methode ist, dass sie eine körpereigene Ersatzstimme bereitstellt, wodurch die Hände frei bleiben. Allerdings erreichen nur etwa ein Drittel der Patienten eine alltagstaugliche fließende Sprechweise mit dieser Technik.

Elektronische Sprechhilfe

Ein Elektrolarynx, wie z.B. die elektronische Sprechhilfe Provox TruTone EMOTE, ist ein handliches Gerät, das Vibrationen erzeugt und so das Sprechen ermöglicht.

provox trutone plus emote

Es wird verwendet, um den Ton direkt in den Mund- oder Halsbereich der Person zu übertragen, wobei die Schwingungen durch die Mundformung in Sprache umgewandelt werden. Diese Methode ist einfach zu erlernen und bietet eine sofortige Möglichkeit der Kommunikation postoperativ. Der Stimmklang ist für viele Patienten jedoch sehr gewöhnungsbedürftig, da er sehr mechanisch klingt.

Stimmprothese

Die Verwendung einer Stimmprothese (Shuntventil) ermöglicht es Patienten, Luft durch eine fest errichtete Fistel in die Speiseröhre zu leiten. Das Shuntventil produziert selbst keine Stimme, sondern steuert die Luftführung in den Ösophagus, verhindert aber gleichzeitig Aspirationen mithilfe einer Ventilklappe, die das Ventil in Richtung Trachea abschließt. Die Stimme wird im Bereich des oberen Ösophagussphinkters (PE-Segment) gebildet.

Anatomische Zeichnung: Sprechen mit einer Stimmprothese

Querschnitt: Stimmgebung über Stimmprothese

Heutzutage wird häufig während der Laryngektomie eine Stimmprothese eingesetzt, die eine beeindruckende Stimmqualität und damit einen erheblich positiven Einfluss auf die Lebensqualität der Patienten bietet. Anfangs muss der Patient zum Sprechen das Tracheostoma mithilfe der Finger verschließen, um sprechen zu können.

Freihand-Ventil

Im Verlauf der Rehabilitation ist jedoch oftmals der Umstieg auf ein Freihand-Ventil möglich. Ein Freihand-Ventil wird in der Regel mithilfe einer Basisplatte befestigt. Bei diesem Ventil kann der Patient einerseits wie gewohnt mit dem Finger das Tracheostoma zum Sprechen verschließen. Durch eine Drehung am Ventil kann aber eine spezielle Membran aus ihrer Arretierung gelöst werden, die dann beim Sprechen – bedingt durch den erhöhten Ausatemstrom – das Tracheostoma automatisch verschließt.

Ein Freihand-Ventil, wie zum Beispiel das Provox FreeHands FlexiVoice, ermöglicht es den Patienten, beim Sprechen die Hände frei zu haben. Das hilft sowohl bei der nonverbalen Kommunikation durch Gestikulieren, es gibt den Betroffenen aber auch die Möglichkeit, während des Sprechens andere Tätigkeiten auszuführen. Der integrierte HME-Filter übernimmt die Funktionen der Nase, also das Befeuchten, Erwärmen und Filtern der Atemluft, um somit die pulmonale Gesundheit zu unterstützen.

Image

Unterstützende Techniken

Neben den primären Methoden der Stimmgebung können Patienten auch durch nicht-verbale Kommunikationswege Unterstützung finden. Gestik, Mimik sowie technische Hilfsmittel wie Schreibtafeln oder Sprachcomputer bieten alternative Optionen für den Austausch in sozialen und beruflichen Situationen. Auch das sogenannte „Pseudoflüstern“ bietet eine Alternative.

Interessiert an mehr Artikeln wie diesem?

Jetzt Anmelden für die „Atos Learning News“

Kommunikation mit laryngektomierten Patienten

...erfordert Aufmerksamkeit. Zunächst ist es wichtig, eine ruhige und störungsfreie Umgebung zu schaffen, um die Verständigung zu erleichtern. Richten Sie Ihre volle Aufmerksamkeit auf den Patienten, halten Sie Blickkontakt und konzentrieren Sie sich bewusst auf die nonverbalen Signale. Falls Sie etwas nicht verstehen, scheuen Sie sich nicht, nachzufragen – das zeigt Interesse und Respekt. Verwenden Sie möglichst geschlossene Fragen, die sich mit „Ja“ oder „Nein“ beantworten lassen, um die Kommunikation zu erleichtern. Zusätzlich können Kommunikationstafeln oder elektronische Hilfsmittel angeboten werden, um den Austausch zu unterstützen. So tragen Sie wesentlich dazu bei, dass sich laryngektomierte Patienten verstanden und ernst genommen fühlen.

Und wenn es mal Probleme gibt?

Die S3-Leitlinie zur Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Larynxkarzinoms empfiehlt eine interdisziplinäre Zusammenarbeit und Nachsorge: Hier können die besten Erfolge der Rehabilitation nach Laryngektomie im multidisziplinären Team aus Kopf-Hals-Chirurg, Logopäden und Fachpflege erreicht werden.

Auch die logopädische Therapie stellt einen wichtigen Baustein in der Behandlung laryngektomierter Patienten dar. Sprech-, Stimm- und Schluckstörungen können als direkte Komplikationen verschiedener Tumore oder als Folge ihrer Therapie auftreten. Sie führen zu einer starken Einschränkung der Lebensqualität. Behandlungsansätze der Logopädie, wie das Erlernen und Üben der Ersatzstimme basierend auf einer individuellen Therapieplanung, können hier maßgeblich unterstützen.

Des Weiteren sind Termine zur regelmäßigen Nachsorge und beispielsweise zur Kontrolle der Stimmprothese ein wichtiger Baustein. In diesem Setting können individuelle Themen wie Hygiene des Tracheostomas oder der Umgang mit möglichen Komplikationen thematisiert werden.

Wie können Betroffene noch unterstützt werden?

Nach einer Laryngektomie stehen Betroffene und ihre Angehörigen vor vielen Fragen und Herausforderungen – von der Vorbereitung auf die Operation bis hin zum Leben danach. Genau hier setzt die Website „Die Laryngektomie Seite.“ an. Diese Plattform bietet leicht verständliche Informationen für alle Phasen der Laryngektomie: Was erwartet mich vor, während und nach der Operation? Welche Möglichkeiten der Stimmrehabilitation gibt es? Wie kann ich meinen Alltag gestalten, und wie gehe ich mit den Veränderungen um? Besonders wertvoll sind die persönlichen Patientengeschichten, die Mut machen und zeigen, dass Sie mit Ihren Sorgen und Fragen nicht allein sind. Auch Angehörige, Freunde und Fachpersonal finden hier gezielte Tipps, wie sie Betroffene bestmöglich begleiten können.

Auch die Atos My Life App ist ein hilfreiches Tool für Betroffene. Die App enthält Stimm- und Atemübungen, die von Ärzten und Logopäden entwickelt wurden, mit dem Ziel, die Stimmgebung nach einer Laryngektomie zu verbessern. Sie finden dort außerdem neueste Artikel und Blogbeiträge, Wissen und kurze Artikel rund um das Thema Laryngektomie. Alle Artikel sind in Themenbereiche gegliedert, zum Beispiel: Atmen, Sprechen oder Leben im Alltag. Vom Wechsel des HME-Filters bis zur richtigen Tracheostoma-Reinigung ist alles dabei. Auch ein Laryngektomie-Produktportfolio ist in der App enthalten mit Hinweisen und Informationen zu den Produkten der Provox und Provox Life Serie.

Fazit

Die Stimmrehabilitation nach einer Laryngektomie bietet mehrere Wege, um die Kommunikationsfähigkeit wiederherzustellen und somit die Lebensqualität der Patienten zu verbessern. Die Wahl der passenden Methode sollte individuell, basierend auf den Bedürfnissen und Fähigkeiten des Patienten, getroffen werden. Die kontinuierliche Forschung und Verbesserung in diesem Bereich lässt hoffen, dass auch in Zukunft innovative Lösungen zur Verfügung stehen werden.

Die Fähigkeit zur Kommunikation ist ein grundlegendes menschliches Bedürfnis, und die Stimmrehabilitation nach Laryngektomie ist ein entscheidender Schritt, um Patienten nach einem solch einschneidenden Eingriff den Zugang zur Teilhabe am sozialen Leben zu ermöglichen.

Interessiert an mehr Beiträgen wie diesem?

Dann melden Sie sich für die „Atos Learning News“ an. Viermal im Jahr erhalten Sie Wissenswertes aus der Welt der Laryngektomie und Tracheotomie, einschließlich medizinischer Studien, Events und Schulungen. – direkt in Ihr Postfach.

Jetzt Anmelden

QUELLEN:

Bogdanov, V., et al. (2022). "Olfaktorische Rehabilitation durch retronasales Riechen über die tracheoösophageale Fistel nach totaler Laryngektomie." HNO 70(12): 878-885.

Bootz, F. (2020). "S3-Leitlinie Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Larynxkarzinoms." Der Radiologe 60(11): 1052-1057.

Hilgers, F. J. M., et al. (2023). Wiederherstellung der Sprachfunktion nach Laryngektomie. Rekonstruktive Kopf-Hals-Chirurgie. T. Hoffmann, J. Hoffmann, D. Hänggi and J. P. Klußmann. Berlin, Heidelberg, Springer Berlin Heidelberg: 409-430.

Schütz, J., et al. (2024). "Möglichkeiten der Stimmrehabilitation nach Laryngektomie." Laryngorhinootologie 103(12): 870-881.

Singer, S., et al. (2023). "Patientenberichtete Endpunkte in der Kopf-Hals-Tumortherapie: Relevanz, Herausforderungen und Nutzen." HNO 71(9): 592-598.

Winkler, P. and R. Lehmann (2023). Logopädie. Ergotherapie in der Onkologie. S. Heizmann and T. Kroner. Berlin, Heidelberg, Springer Berlin Heidelberg: 189-195.