Above Cuff Vocalization bei tracheotomierten Menschen

Für HCPs
26. März 2024

Above Cuff Vocalization oder ACV ist eine Technik, die es bei Tracheotomierten ermöglicht einen Luftstrom in den oberen Atemwegen wieder herzustellen, indem Luft bzw. Diese faszinierende Technik, ermöglicht es eine Stimme wiederzuerlangen und damit die Kommunikationsfähigkeiten zu verbessern. Für eine erfolgreiche und vor allen Dingen sichere Anwendung der ACV-Technik sind ein fundierter Kenntnisstand über die Technik sowie die medizinische Indikation entscheidend. Im folgenden Beitrag teilt Anja Fischer, erfahrene Logopädin aus München, ihre klinische Expertise zum Thema Above Cuff Vocalization, gibt Einblicke in die Bedeutung von ACV, die erforderlichen Voraussetzungen für die Anwendung, potenzielle Komplikationen und die vielen Vorteile, die sie für die Patienten mit sich bringt.

ACV blog banner

Anja Fischer ist Logopädin und derzeit in München sowohl an einer neurologisch-psychiatrischen Klinik als auch selbstständig tätig. 2023 erlangte sie ihre FEES-Zertifizierung. Des Weiteren strebt sie einen Abschluss an der FOM Hochschule München im Bereich Marketing und Digital Media an. Anja ist Mitglieder der Deutschen Gesellschaft für Dysphagie (DGD) sowie der interdisziplinären Arbeitsgemeinschaft (AG) Dysphagie München. Dabei stehen für Anja der professionelle Austausch sowie die Vertiefung und die Weiterentwicklung ihres Fachwissens rund um die Themen Dysphagie/Trachealkanülenmanagement im Vordergrund. Mithilfe des Netzwerks aus Kollegen und Kolleginnen sowie Spezialisten möchte sie innovative Ansätze im Bereich der Patientenversorgung voranbringen. Der Schwerpunkt ihrer Arbeit liegt seit vielen Jahren auf der Versorgung von tracheotomierten Patienten sowohl im stationären als auch im ambulanten Setting. In ihrer derzeitigen Tätigkeit kommt ACV fast täglich zum Einsatz. Wir haben mit Anja gesprochen, um mehr über die ACV-Technik und die damit verbundenen Benefits für tracheotomierte Patienten zu erfahren.

Profilbild von Anja Fischer

Was genau versteht man unter Above Cuff Vocalization?

Mit Above Cuff Vocalization (ACV) ist eine Technik gemeint, die tracheotomierten Patienten das Sprechen wieder ermöglichen kann. Die Stimmlippen befinden sich oberhalb des Cuffs der geblockten Trachealkanüle. Luft kann durch die subglottische Absaugung oberhalb des Cuffs insuffliert werden und somit durch den Kehlkopf strömen. Mithilfe von ACV ist eine bedingte Stimmbildung möglich und erleichtert somit die Kommunikation bei beatmeten Patienten.

Welche Voraussetzungen müssen bei Patienten für die Above Cuff Vocalization gegeben sein?

Ich nutze ACV bei Patienten die wach und in der Lage sind zu kooperieren. Diese Patienten haben eine geblockte Trachealkanüle, die aufgrund von Beatmung oder aus anderen Gründen nicht entblockt werden kann und die deshalb nicht in der Lage sind verbal zu kommunizieren. Bei Patienten, die beispielsweise nicht ansprechbar oder bei Bewusstsein sind, die aus den gleichen Gründen keine entblockte Kanüle tolerieren, nutze ich eine abgeschwächte Variante. Das bedeutet ich nutze einen geringeren Luftstrom, um die oropharyngeale Sensibilität zu fördern. Besonders bei Patienten mit Bewusstseinsstörungen hat sich ACV als hilfreich erwiesen.

Bei welchen Patienten eignet sich Above Cuff Vocalization nicht?

Bei Patienten die sehr sensibel reagieren und leicht in Stress geraten und infolge von versuchter ACV zudem eine körperliche Abwehrreaktion aufweisen. Außerdem sollte zuerst immer eine Obstruktion der oberen Atemwege ausgeschlossen werden und sichergestellt sein, dass die subglottische Absaugung richtig funktioniert. Auch muss berücksichtigt werden, dass ACV kein Ersatz für das Entblocken der Trachealkanüle ist, vielmehr dient ACV zur Unterstützung, wenn das Entblocken der Kanüle nicht möglich ist. Desweitern sollte ACV nicht bei Patienten mit einem frisch angelegten Tracheostoma angewendet werden.

Wie sieht eine Schritt-für-Schritt Anleitung für die Durchführung von ACV am Patienten aus und worauf sollte geachtet werden?

Vor der eigentlichen Durchführung sollte der gesundheitliche Zustand des Patienten ausgewertet und wenn nötig mit den behandelnden Ärzten und Pflegefachkräften besprochen werden. Gibt es keine Kontraindikationen, ist es wichtig dem Patienten (unabhängig von dessen Zustand) im Voraus das weitere Vorgehen genau zu erläutern. Anschließend wird sämtliches Sekret oberhalb des Cuffs mithilfe der subglottischen Absaugung entfernt. Der ACV-Adapter wird dann mit dem Finger-Tipp und der Sauerstoffzufuhr verbunden. Im nächsten Schritt wird der Patient darüber informiert, dass etwas Luft oberhalb des Cuffs durchströmen wird und dass er/sie dadurch möglicherweise sprechen kann. Am besten sollte mit einem sehr geringen Luftstrom gestartet werden, etwa 1 Liter/Min der, wenn möglich und vom Patienten toleriert, auf maximal 5 Litern/Min erhöht werden kann. Meiner Erfahrung nach ist eine Erhöhung der Luftstromrate in der Regel notwendig, es genügt aber eine Rate von 2-3 Litern/Min.

Welche Komplikationen können bei der Durchführung von ACV auftreten und wie sollte man darauf reagieren?

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Komplikationen eher selten auftreten. Meist verspüren Patienten lediglich ein ungewohntes Gefühl oder einen Hustenreiz, was jedoch mit einer Unterbrechung der Sauerstoffzufuhr oder einer reduzierten Luftstromrate sofort beendet wird. In einigen Fällen sind Patienten überrascht ihre Stimme zu hören, die natürlich ungewohnt und anders klingt.

Welche Benefits bietet die Above Cuff Vocalization für Patienten?

Above Cuff Vocalization bietet meiner Meinung nach viele Vorteile. Bei einigen unserer Patienten verbessert sich das pharyngeale Empfindungsvermögen, bei anderen verbessert sich die Art des Sprechens und der Kommunikation, was natürlich auch für die Pflegekräfte, Ärzte und Angehörigen wichtig ist. Des Weiteren hat sich die Technik auch bei Patienten mit Bewusstseinsstörungen als wirksam herausgestellt. Außerdem nutze ich ACV seit einiger Zeit auch bei Schluckstörungen oder um das Auftreten von Aspirationen zu verringern und das Schlucken durch pharyngeale Stimulation zu verbessern.

Alle Empfehlungen in diesem Aufklärungsmaterial sind ein allgemeiner Leitfaden für bewährte Praktiken, der von qualifizierten medizinischem Fachpersonal je nach klinischem Urteil und Verfügbarkeit von Ressourcen im Gesundheitswesen umgesetzt werden sollte.

Die dargestellten Informationen sollten nicht als medizinischer Rat für bestimmte Erkrankungen angesehen werden. Die individuellen Umstände und Präferenzen eines Patienten sollten immer berücksichtigt werden und klinische Praxis sollte mit den Grundsätzen des Schutzes, der Beteiligung und der Partnerschaft übereinstimmen.

Teilen